Münsterland Giro am 3. Oktober 2010 (von Bernhard Kraas)

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Für Alf, Dirk, Uwe und Walter war es das 2. Mal und für mich Premiere, beim Münsterland-Giro teilzunehmen. Wetterbericht und Laune waren prächtig. Als wir um 7.30 Uhr in Münster ankamen und unsere Startunterlagen abholten, hörten wir, dass ein Teilnehmer gerade seinen Transponder abgab, weil man ihm sein 8.000,00 € Rennrad gestohlen hatte.
Alle rund 4.000 bis 5.000 Teilnehmer konnten in kurzen Hosen fahren; am Nachmittag brach die Sonne richtig durch. Die Temperaturen waren einmalig. Leider war der Wind, insbesondere im mittleren Abschnitt, wieder sehr kräftig.
Es ist schon etwas besonderes, mit einer dermaßen großen Teilnehmerzahl zu starten. Noch beeindruckender war jedoch die Organisation des Rennens. Es müssen mehrere 100 Helfer gewesen sein, die 4 unterschiedliche Rennstrecken abgesperrt und abgesichert haben. Jede Ausfahrt, jeder Feldweg, jede Verkehrsinsel und jede Kurve war bewacht, um die Radfahrer zu warnen. Man wurde auf das Hindernis schon dadurch aufmerksam, dass eine Trillerpfeife ertönte. Dann sah man einen gelb bekleideten Ordnungshüter, der eine Fahne schwenkte und auch noch rufend auf ein Hindernis hinwies. Ungewöhnlich war auch, bei roten Ampeln, selbst über große Kreuzungen, zu fahren. Es kam kein Gegenverkehr und man konnte hemmungslos fahren – wenn nicht die vielen anderen Radfahrer gewesen wären. Schon vor dem Start wurde jeder vor Stürzen gewarnt, insbesondere auf den ersten Kilometern.

Um 9.15 Uhr fanden wir uns – wie gewünscht – in den Startzonen ein. Dirk und Walter konnten aus der Zone B starten, Alf, Uwe und ich aus der Zone C. Walter hatte sich jedoch entschieden, mit uns in der Zone C auf den Start zu warten. Pünktlich um 9.30 Uhr wurden dann erst die Teilnehmer der Zone A auf die Rennstrecke geschickt, wenige Minuten später die Teilnehmer der Gruppe B und dann schließlich nach einigen Minuten auch wir. Es dauerte einige Minuten, bis sich der Tross richtig in Bewegung gesetzt hatte. Es kamen Kreisverkehre und Kurven; bereits nach wenigen Minuten lag das Tempo jedoch bereits zwischen 40-50 km/h. Man war umringt von anderen Rennradfahrern. Es ging ausschließlich darum, nicht zu stürzen. Jeder war außerdem bemüht, nicht gleich zu Beginn des Rennens Plätze zu verlieren und zurückzufallen. Also sprintete man mit. Dies hatte für mich zur Folge, dass ich nach ca. 15 km zu Alf rüberkeuchte, dass ich dieses Tempo nicht durchhalten würde.
Auf der ersten Hälfte des Rennens sah man mehrere Stürze. Nach ca. 20 km stürzte drei Räder vor mir ein Teilnehmer. Der nächste fuhr mit ca. 40 km/h auf und stürzte ebenfalls. Ich konnte geistesgegenwärtig einerseits bremsen und andererseits, da ich ohnehin an dieser Stelle ganz rechts fuhr, in den Straßengraben ausweichen, so dass es nicht noch zu weiteren Kollisionen kam. Alf konnte gerade noch um die Sturzstelle herumfahren. Auch in der Folgezeit sah man immer wieder gestürzte Teilnehmer; teilweise auch Krankenwagen. Noch häufiger tauchten Teilnehmer mit defekten Rädern auf, entweder Platten oder sonstige Pannen. Wir fünf Oeventroper hatten daher Glück; keiner ist gestürzt und hatte auch keine Panne.
Für mich war es eine völlig neue Erfahrung, ein solches Rennen auf Zeit zu fahren. Franz hatte mir vorher schon den Tipp gegeben, mich nicht gleich am Anfang zu verausgaben. Diesen Tipp, den ich sehr wohl beherzigen wollte, konnte ich aber nicht in die Tat umsetzen, da ich bei „meinen Leuten“ bleiben wollte. Man kam kaum dazu, zu essen oder zu trinken. Auch die Verpflegungsstation nach 50 km wurde ignoriert.
Die Strecke von 125 km, für die wir uns entschieden hatten, wies ca. 800 Höhenmeter auf. Im Ziel zeigte mein Tacho 818 Höhenmeter. Erfreulich war die Erfahrung, dass wir Sauerländer ganz andere Berge gewohnt waren. Diese Münsterländer Hügel stellten für uns kein Problem dar. Selbst ich, der ich alles andere als eine „Bergziege“ bin, konnte an den Anstiegen große Massen überholen. Nur wenige Teilnehmer waren an den Anstiegen schneller als ich. Dies galt natürlich umso mehr für Alf, Dirk, Uwe und Walter.
Ich habe immer Plätze verloren, wenn es in Problemzonen ging, wie starke Kurven oder rasante Abfahrten. Hier fehlte mir einfach der Mut, meine Knochen zu riskieren. Häufig wurde man hier auch ausgebremst oder in Bedrängnis gebracht.
Wegen des starken Windes war es von Anfang an mein Ziel, nicht nur unverletzt zu bleiben, sondern auch stets in einer Gruppe zu fahren. Bei einer dermaßen großen Teilnehmerzahl ist dies normalerweise möglich. Einige Male waren mir die Gruppen jedoch zu langsam, so dass ich mich an die Spitze gesetzt habe. Dort wurde jedoch allzu deutlich, wie groß der Unterschied ist, ob man im Windschatten fährt oder in der Spitze. Nach wenigen Minuten wurde ich wieder überholt und förmlich eingekesselt. Ich hatte dann über mehrere Minuten keine Möglichkeit, die Geschwindigkeit zu erhöhen.
Im Mittelteil des Rennens habe ich mich geradezu „einlullen“ lassen. Ich habe es genossen, mit der Gruppe langsamer als 40 km/h zu fahren und auch einmal trinken zu können. Besonders angenehm war dies in einer 10-köpfigen Gruppe, bis wir nach einer halben Stunde „Schlafwagen-Fahrt“ von einer sehr großen Gruppe geschluckt wurden. Man war dann plötzlich wieder mitten im Pulk und musste höllisch aufpassen, nicht zu stürzen.
Ein besonderes Lob gilt den Zuschauern an der Strecke: Insbesondere in den Ortschaften wie Nottuln oder Dülmen, selbstverständlich auch in Münster, standen große Menschenmassen an den Straßen und johlten, applaudierten oder feuerten einfach nur an. Man konnte feststellen, dass die Geschwindigkeit dann immer stark anzog. Die Anfeuerungsrufe hatten ihre Wirkung: Alle Teilnehmer wurden deutlich schneller.
Es ist schon eine riesige Belastung für den Körper: Muskulatur, Gelenke und Kreislauf werden auf ein Höchstmaß beansprucht. Ich hatte auf die Pulsuhr wieder bewusst verzichtet, da diese nur nervös gemacht hätte. Ich habe Teilnehmer erlebt, die völlig erschöpft am rechten Rand anhalten mussten oder sich einfach nur zurückfallen ließen, weil es wirklich nicht mehr ging. 3 – 4 Stunden am Anschlag zu fahren, muss auch trainiert werden. Ich hatte jedoch den Eindruck, dass wir Oeventroper recht gut vorbereitet waren, auch wenn die letzten 3 Wochen etwas spärlich ausgefallen waren. Man musste die Zähne zusammenbeißen, wenn man beschleunigen wollte, um die am Horizont sichtbare Gruppe zu erreichen, weil das Tempo der derzeitigen Gruppe einfach zu gering war. Wenn man dann bei der nächsten Gruppe angekommen war, musste man sich in der Tat einige Minuten ausruhen.
Im Nachhinein kann ich sagen, dass das Anfangstempo zu hoch, das Tempo im mittleren Bereich hingegen deutlich zu langsam war. Ich habe mich im Mittelteil allerdings zurück gehalten und die langsameren Geschwindigkeiten genossen, weil ich noch nicht wusste, was noch auf uns zukommt. Aus jetziger Sicht hätte ich im mittleren Teil deutlich schneller fahren müssen und auch können. Als mir einige Kilometer vor dem Ziel deutlich wurde, dass ich keine Kraftreserven mehr aufsparen musste, habe ich zwar noch viele Teilnehmer überholt, konnte aber so viel Zeit nicht mehr wettmachen. Ich habe dann die hohen Geschwindigkeiten und die jubelnden Massen genossen und mir häufig die Freiheit genommen, den Zuschauern zuzuwinken.
Es war ein erhabenes Gefühl, durch das Ziel zu fahren und sofort entspannen zu können. Über Lautsprecher wurden wir angewiesen, weiter auf den Schlossparkplatz zu fahren, der überfüllt war mit Rennradfahrern, Zuschauern und Ständen. Selbstverständlich haben wir uns dann ein Potts und ein Pastagericht bei strahlendem Sonnenschein genehmigt. Die Platzierung selbst spielte für uns von Anbeginn an keine Rolle. Wegen des heftigen Windes und der ca. 800 Höhenmeter konnte kein Teilnehmer die Zeit aus dem letzten Jahr erreichen. Während ich mir auf den ersten 15 km noch geschworen hatte, nie wieder an einer solchen Hatz teilzunehmen, steht für mich jedoch nunmehr eindeutig fest, dass ich beim nächsten Münsterland-Giro wieder dabei bin. Selbstverständlich werde ich versuchen, die Zeit dieses Jahres zu toppen. Auch wenn wir – wie besprochen – nicht in der Gruppe sondern jeder für sich selbst gefahren ist, war es ein herrliches Erlebnis. Hierzu gehört natürlich auch die Fachsimpelei auf der Hin- und der Rückfahrt.
Nachdem ich Monika von dem Rennen und einem unsäglichen Bierdurst erzählt hatte, sind wir zum Sorpesee gefahren, haben dort die Abendsonne und mehrere Veltins genossen. Es war insgesamt ein unvergessen schöner Tag.
Bernhard

Ergebnisse
Dirk Peters: Platz: 117 (Master 1) 363 (Gesamt), Zeit: 3:24:50
Alf Diederich, Platz: 205 (Master 1) 685 (Gesamt), Zeit: 3:42:00
Walter Dahlmann, Platz: 173 (Master 2) 401 (Gesamt), Zeit: 3:27:29
Uwe Krick: Platz: 361 (Master 2) 841 (Gesamt) Zeit: 3:58:49
Bernhard Kraas: Platz: 72 (Master 3) 554 (Gesamt) Zeit: 3:36:02
Team:Platz: 40 von 63

Teilnehmer: Gesamt: 984, Master 3: 158 Master 1: 281, Master 2: 425

Teamgesamtwertung German Cycling Cup 2010:
TuS 1896 Oeventrop: Platz: 37 von 354 mit 617 Punkten

v.l.n.r.: Uwe, Walter, Dirk, Alf und Bernhard